Gesundheit statt Gewinne

Die Pandemie hat die Fehlentwicklungen in unserem Gesundheitssystem nicht nur deutlich gemacht, sondern diese verstärkt. Zu sehen ist, was geschieht, wenn das Gesundheitssystem zunehmend einer Ökonomisierung unterworfen ist und Anreize für Gesundheitseinrichtungen und Investor:innen geschaffen werden, Profite über das Gesundheitswesen zu erwirtschaften.

 

Dieser Tage verhandelt die Ampelkoalition aus SPD, Grüne und FDP über die Zukunft des Gesundheitswesens und ist dabei vor große Herausforderungen gestellt – ein wichtiger Moment, in dem darüber entschieden wird, wie sozial gerecht und gemeinwohlorientiert unsere Gesundheitsversorgung in Zukunft aussehen wird – oder eben auch nicht.

 

Private-Equity-Investor:innen im Gesundheitswesen

 

Internationale Investor:innen kaufen Gesundheitseinrichtungen, stellen Kapital für einen definierten Zeitraum bereit, pimpen diese innerhalb kurzer Zeit auf Effizienz (z. B. durch Personalabbau) und verkaufen sie wieder zu einem wesentlich höheren Preis an den:die nächsten Investor:in. Heraus springen horrende Renditen, die nicht wieder in unser solidarisch finanziertes Sozialwesen und die Versorgung zurückfließen.

 

Vor zwei Jahren forderte die SPD in einem Positionspapier1, jene Renditen für Investor:innen zu begrenzen. Während sich die Grünen uneindeutig und die FDP gar nicht in ihren diesjährigen Wahlprogrammen zu den Investor:innen und ihren Profitbestreben positionieren, hieß es im Wahlprogramm der SPD, dass aus der Solidargemeinschaft erwirtschaftete Gewinne verpflichtend wieder ins Sozialwesen zurückfließen sollen. Wir sind gespannt.

 

Fallpauschalen in Krankenhäusern

 

Die Krankenhäuser richten ihre Versorgung danach aus, was im Preissystem der Fallpauschalen (DRGs) rentabel ist, nicht danach, was dem Gemeinwohl bzw. dem:der Einzelnen dient. Nicht die bestmögliche Versorgung der Patient:innen steht im Vordergrund, sondern wie an ihnen Geld verdient werden kann. So werden beispielsweise gewinnbringende Eingriffe (wie etwa Hüft- oder Knie-OPs) häufiger durchgeführt als nötig, wohingegen weniger rentable Versorgungsstrukturen (wie etwa Entbindungs- oder Jugendstationen) reduziert oder gar eingestampft werden.2

 

Die Bürger:innen haben gezeigt, dass sie eine Abkehr von diesen Entwicklungen möchten. In mehreren Bürger:innendialogen der Robert-Bosch-Stiftung wurde deutlich, dass die Menschen ein Abrücken von den Profitinteressen und ein Hinrücken zu einem am Gemeinwohl orientierten Gesundheitswesen verlangen.3 In einer Stern-Petition vom März diesen Jahres trugen 350.000 Unterzeichner:innen die Forderung "konsequente Abkehr von Profitdenken und ökonomischen Fehlanreizen durch eine Gesundheitsreform".4

 

Widerstände tun sich auch beim Fachpersonal auf. In zwei großen Berliner Kliniken verschuf das pflegerische Fachpersonal durch Warnstreiks seinem Unmut Luft und konnte dadurch erfolgreich einen Schritt in Richtung besserer Arbeitsbedingungen erstreiten: Die Kliniken ließen sich auf einen besseren Personalschlüssel und Freizeitausgleich bei Arbeit in Unterbesetzung ein. Auch andere Fachbereiche fingen daraufhin an zu streiken – das Personal der Reinigung, Essensausgabe und Sterilisation, Laborangestellte, Arzthelfer:innen, Physiotherapeut:innen.5 Ein Anfang.

 

Beschäftigte in Gesundheitseinrichtungen

 

Es liegt auf der Hand, dass in einem Gesundheitssystem, welches einer derartig privatisierten, ökonomisierten Logik folgt, die Beschäftigten ebenfalls als ein Stellrädchen betrachtet werden, an dem sich Kosten einsparen lassen. Mit der Privatisierung des Gesundheitswesens steigt der wirtschaftliche Druck auch auf die kommunalgeführten Gesundheitseinrichtungen. Überlastung, schlechte Arbeitsbedingungen, Unterfinanzierung und Personalmangel sind die Folge. Sie waren bereits vor der Pandemie ein Problem, und wurden darunter sichtbarer denn je. Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, das Personal zu halten und Nachwuchs auszubilden. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft in Köln erwartet uns im Bereich Pflege bis zum Jahre 2035 eine Versorgungslücke von insgesamt knapp 500.000 Fachkräften.6 In Anbetracht des demografischen Wandels, der eine alternde Gesellschaft, höhere Morbiditätsraten und damit verbunden komplexere Versorgungen erwarten lässt, eine erschreckende Aussicht. Es muss jetzt wesentlicher Bestandteil der anstehenden Verhandlungen sein, das Gesundheitssystem auf eine Weise zu reformieren, damit diese Mammutaufgabe in den kommenden Jahrzehnten einigermaßen gehandhabt werden kann.

 

Gesundheitsversorgung in kommunale Hand

 

Um den Profitinteressen entgegenzuwirken, müssen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung wieder entprivatisiert und zurück in kommunale bzw. städtische Hand gegeben werden. Hier braucht es keine privat finanzierten Ketten-Einrichtungen, die sich auf einzelne profitable Bereiche spezialisieren, sondern gemeinwohlorientierte Angebote, die zu den Bedarfen der Quartiersbewohner:innen passen. Die Grünen setzten sich in ihrem Wahlprogramm für eine quartiersorientierte Versorgung ein, insbesondere im Bereich Pflege. Das Schaffen eines rechtlichen Rahmens und Anschubfinanzierungen für Kommunen und Quartiere, die sich hier auf den Weg machen, werden in Aussicht gestellt.7 Auch hier sind wir gespannt, was davon in den anstehenden Verhandlungen übrigbleibt.

 

Wir fordern:

  • Keine Kapitalinvestitionen durch Private im Gesundheitssektor zu Lasten der Versorgungsqualität und von Arbeitsbedingungen! Abkehr von Profitorientierung!
  • Faire Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte im Gesundheitswesen! Nachhaltige Finanzierung der Pflege sicherstellen!
  • Gesundheitsversorgung in kommunale Hand!

 

 

1 https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/positionspapier_pflege_solidarisch_gestalten.pdf

2 https://www.gesundheit-statt-profite.de/startseite

3 https://www.bosch-stiftung.de/sites/default/files/publications/pdf/2019-12/Neustart%20Buergerreport_2019.pdf

4 https://www.stern.de/gesundheit/pflegepetition/brief-an-die-kuenftige-ampelkoalition--stoppen-sie-das-profitdenken-im-gesundheitswesen--30855006.html

5 https://taz.de/Berliner-Krankenhausstreik/!5800739/

6 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/172651/umfrage/bedarf-an-pflegekraeften-2025/ Der Prognose zum Fachkräftemangel des IW Köln basiert dabei auf Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zur Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in Deutschland.

7 https://cms.gruene.de/uploads/documents/2021_Wahlprogrammentwurf.pdf S. 67