Grußwort anläßlich der Demonstration "Erinnerung - Gerechtigkeit – Aufklärung – Konsequenzen"

Grußwort der Poliklinik Veddel anläßlich der Demonstration "Erinnerung - Gerechtigkeit – Aufklärung – Konsequenzen" am 19.08.20


Heute ist es sechs Monate her, dass ein Rassist in Hanau neun Menschen getötet hat. Das Verbrechen reiht sich ein in deutsche Kontinuitäten wie den NSU Komplex, in denen die Täter zwar für schuldig gesprochen, die Ermittlungen jedoch von zuständigen Behörden verunmöglicht wurden. Dieses strukturelle und systematische Vorgehen der Behörden- wegzusehen und Täter*innen zu schützen, darf sich nicht wieder holen.


Mörder werden als Einzeltäter*innen verharmlost und Netzwerke und rassistische Strukturen ausgeblendet. Es ist den migrantischen und antifaschisten Strukturen zu verdanken, Aufklärung zu fordern, Beweise heranzuziehen, Prozesse zu begleiten und damit Aufklärung zu betreiben. Und sich gegenseitig die Kraft zu geben, dass solche Verbrechen nicht vergessen werden und sich niemals wiederholen dürfen!Rassismus tötet! Ob in Hanau, Minneapolis oder hier in Hamburg.


Es zeigt sich Deutschland hat ein Rassismusproblem. Und es hat auchein Polizeiproblem, wie  die vielfältigen Übergriffe durch Polizeibeamten vornehmlich auf nicht weiß gelesene Personen - nicht nur in den letzten Wochen - zeigen. Rassistische Polizeikontrollen finden statt und gehören für viele migrantisierte und rassifizierte Personen zum Alltag.


In unserer alltäglichen Praxis in der Poliklinik Veddel merken wir, dass Rassismus in all seinen Facetten auch einen großen Effekt auf die Gesundheit hat. Wie kann eine junge Mutter gesund bleiben, wenn sie Monat für Monat Bittstellerin bei der Ausländerbehörde sein muss, um ihre Aufenthaltspapiere zu verlängern? Wie kann eine Familie gesund bleiben, die seit Jahren aufgrund ihres Nachnamens keine angemessene Wohnung findet? Wie kann jemand gesund bleiben, wenn ständig die Abschiebung droht? Das zeigt uns, dass wir neue Praktiken der Solidarität entwickeln und Kämpfe aufeinander beziehen müssen, wie z.B. die Bewegung Migrantifa.


Die Veddel als postmigrantischer Stadtteil ist von der Differenz und Vielfalt der hier Lebenden geprägt. Gleichzeitig ist es wichtig gemeinsam solidarische Praxen zu erweitern und sich auch hier gegen jede Form von Faschismus zur Wehr zu setzen.


Unsere solidarischen Grüße gehen heute nach Hanau. Zu den Hinterbliebenen, Angehörigen und Überlebenden. Bleibt weiterhin mutig, laut und widerständig! Viele von uns werden am Samstag zu Euch nach Hanau kommen, mit Euch trauern, mit Euch weinen, aber auch mit Euch kämpfen für eine lückenlose Aufklärung dieser grausamen Tat, für politische Konsequenzen, für Gerechtigkeit und eine würdevolle Erinnerung!

Von der Veddel nach Hanau- Alle zusammen gegen den Faschismus!"

 

Hanau Demo